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Erfahrungsaustausch von Behindertenorganisationen aus Deutschland und Belarus in Minsk

5. November 2023

ABiD und IB&P schließen neuen Vertrag zur Zusammenarbeit mit dem belorussischen Behindertenverband BelOI

Vom 22. bis 25. Oktober 2023 war eine siebenköpfige Delegation des ABiD-Instituts Behinderung & Partizipation e.V. (IB&P) und des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland „Für Selbstbestimmung und Würde“ e.V. (ABiD) auf Einladung des belorussischen Behindertenverbandes BelOI zum Erfahrungsaustausch in Minsk.

Auf dem Programm standen in den vier Tagen u.a. ein Runder Tisch zur Umsetzung der UN-BRK, der Besuch mehrerer Einrichtungen von BelOI, die Besichtigung der Gedenkstätten in Trostenez und Chatyn, die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung anlässlich des 80. Jahrestages der Zerstörung des Minsker Ghettos sowie die Beratung über die weitere Zusammenarbeit auf Grundlage der 2009 zwischen ABiD und BelOI geschlossenen Kooperationsvereinbarung. BelOI wurde 1988 gegründet und hat aktuell rund 45.000 Mitglieder in 123 regionalen Organisationen in allen sieben Regionen des Landes (www.beloi.by.) Die Reise wurde von der Stiftung West-Östliche Begegnungen finanziell gefördert.

Am Sonntag besuchte die Delegation gemeinsam mit einer Delegation der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte „Johannes Rau“ (IBB) unter Leitung des Kuratoriums-vorsitzenden Matthias Platzeck die Gedenkstätte Malyj Trostenez anlässlich des Gedenkens zum 80. Jahrestag der Liquidation des Minsker Ghettos.                    
Wir bekamen eine sehr informative Führung und legten gemeinsam Blumen zum Gedenken an die tausenden hier ermordeten Jüdinnen und Juden nieder. Bemerkenswert war auch, wie die Aspekte der Barrierefreiheit in der gesamten Gedenkstätte berücksichtigt wurden.

Am Montag besuchten wir die von BelOI betriebene Werkstatt „Barkos“. Hier produzieren 87 Mitarbeiter/innen, darunter 47 Menschen mit Behinderungen, Arbeitskleidung, Uniformen und weitere Textilien (ca. 70 Prozent sind Aufträge von staatlichen Stellen).

BelOI hat insgesamt 58 Betriebe / Werkstätten im ganzen Land, in denen rund 1.300 Menschen mit Behinderungen arbeiten.

Am Nachmittag nahmen unsere Delegation an der Gedenkveranstaltung des Bundesverbandes jüdischer Gemeinden gemeinsam mit zahlreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens des Landes, einer Zeitzeugin und Diplomaten am Denkmal in der „Jama“ (Erschießungsgrube) des Minsker Ghettos teil. Anschließend folgte eine Gedenkveranstaltung im IBB sowie ein Empfang der Deutschen Botschaft.

     

Am Dienstag besuchten wir das BelOI-Zentrum für Adaption und Gesundheit „Insel der Hoffnung“. Das Zentrum wird täglich von ca. 64 Jugendlichen mit schweren geistigen und körperlichen Behinderungen besucht. 80 Prozent der Betreuten leben zu Hause bei einer alleinerziehenden Mutter, die dadurch auch die Möglichkeit hat, arbeiten zu gehen und Geld zu verdienen. Die 1996 eröffnete Einrichtung wird von Ludmila Guthko geleitet (eine beeindruckende 71jährige Ärztin, die selbst ein schwerstbehindertes Kind hatte), an ihrer Seite sind 10 Mitarbeiter/innen. Die Finanzierung erfolgt über geringe Elternbeiträge sowie Spenden und Sponsoring.

Im Anschluss traf sich die Delegation in der Sozialeinrichtung „Invacenter“ von BelOI zum Gespräch mit Nadeschda Panasjugina von der Behinderten-organisation aus Mogiljow. Dabei stand eine künftige Zusammenarbeit zwischen den Behindertenorganisationen in Mogiljow und Sachsen-Anhalt im Mittelpunkt.

       
Nach dem Mittagessen wurde der Erfahrungsaustausch zwischen der deutschen Delegation und BelOI fortgesetzt. Im Mittelpunkt des „Runden Tisches“ standen dabei der Austausch zur Umsetzung der Artikel 9, 19, 27 der Behinderten-rechtskonvention in Belarus und Deutschland sowie die Diskussion über die weitere Zusammenarbeit von BelOI mit dem ABiD und dem IB&P. Zwischendurch luden die Rollstuhltanzgruppe sowie junge Sänger/innen von BelOI zu einem mitreißenden Kulturprogramm ein.

In Fortführung der Kooperationsvereinbarung von BelOI und ABiD aus dem Jahr 2009 wurde ein neuer „Vertrag über die Zusammenarbeit zur vollen Teilhabeermöglichung für Menschen mit Behinderungen“ zwischen BelOI sowie ABiD und IB&P verhandelt und von dem ABiD-Vorsitzenden Marcus Graubner, dem Vorsitzenden von BelOI Wassili Wassilewitsch Lukaschewitsch und dem stellv. Vorsitzender des IB&P André Nowak (Foto v.r.n.l.) feierlich unterschrieben.

Am Mittwoch setzten wir den Erfahrungsaustausch mit BelOI fort und fuhren danach gemeinsam zur Gedenkstätte Chatyn.

     

Diese national bedeutende und weit über die Grenzen des Landes bekannte Gedenkstätte besuchten der damalige ABiD-Vorsitzende Dr. Ilja Seifert und André Nowak als sein Begleiter 2008 zusammen mit Vertretern von BelOI zum ersten Mal. Auch wegen der fehlenden Barrierefreiheit war die Gedenkstätte mehrfach Thema in unserer Zusammenarbeit, auch bei Gesprächen mit dem Architekten der Gedenkstätte, Leonid Lewin. Inzwischen gab es zahlreiche Ver-besserungen, auch mit der Eröffnung eines neuen Museums vor wenigen Monaten. Nach der Führung durch die neue Ausstellung legten wir gemeinsam Blumen in der Gedenkstätte nieder. (A. Nowak)

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